Eine gute erste Sitzung und was dafür wichtig ist
Kennst Du das? Da sitzt jemand zum ersten Mal in Deiner Praxis und fängt verständlicherweise sofort an, ausführlich über sein Problem zu reden. Wegen dem ist er ja schließlich da, oder?
Detail folgt auf Detail, und Du merkst, wie Du Dich inzwischen richtig anstrengst, dem Faden noch zu folgen und wie der emotionale Stress bei Eurem neuen Klienten ebenfalls immer höher wird, je mehr Probleme und unglückliche Situationen er aus seinem Leben erzählt.
Und 20 Minuten sind schon rum und er scheint immer noch nicht fertig damit zu sein…
Kein glücklicher Beginn, oder? Das geht besser.
Leider lernen wir in den meisten tollen Therapieausbildungen eine zwar (hoffentlich) richtig tolle Methode, aber nicht, wie man eine gute therapeutische Beziehung mit einer wildfremden Person, die weder mich noch meine supertolle Methode kennt, gleich von Anfang an konstruktiv und heilsam aufbaut.
Und Du wolltest doch vielleicht erst mal ganz andere Dinge wissen. Eine Anamnese machen, die Therapieziele festlegen, die Belastbarkeit und die Stärken Deines Klienten kennen lernen, bevor ihr Euch mitten in das Thema stürzt.
Oder? Wie willst Du eigentlich eine Behandlung beginnen?
Hast Du Dir schon mal Gedanken gemacht, wie Du mit einem neuen Klienten den Kontakt mit ihm und seinem Thema aufbauen möchtest?
Wenn nein, dann ist hier und heute eine gute Gelegenheit dazu.
Das wäre mal der erste Schritt. Dass Du Dir selbst im Klaren bist, wie Du eine neue Klienten-Beziehung beginnen möchtest.
Wie glaubst Du, den optimalen Erfolg Deines Klienten zu unterstützen? Gleich in der ersten Sitzung, gleich von den ersten Minuten an?
Und da ich Dich nicht kenne, Deine Persönlichkeit, Deine Arbeitsmethoden und Dein Klienten-Spektrum vielleicht ganz andere sind als meine, möchte ich Dir hier meine persönliche Vorgehensweise schildern und diese bitte nur als EIN mögliches Beispiel verstanden wissen!
Mir persönlich ist es wichtig, thematisch und emotional erst mal neutralen Boden zu betreten.
Mitgefühl und Klarheit anzubieten.
Mich für die Ziele und Stärken einer Person zu interessieren. Ihn als Wunder auf zwei Beinen zu sehen.
Jemand, der alles hat, was er braucht, um seine Ziele zu erreichen. Und nicht als Bündel von Problemen.
Und natürlich Gefahren durch unpassende Interventionen meinerseits auszuschließen, indem ich wichtige Informationen erfrage.
Mir ist es wichtig, eine Beziehung aufzubauen, die positiv gefärbt ist und meinem Klienten die Möglichkeit gibt, mich kennen zu lernen, ohne sofort über sehr private und oft schambesetzte Dinge zu reden.
Ohne den hohen emotionalen Stress zu erleben, wenn er seine Defizite und unangenehmen Erfahrungen lebhaft und konzentriert vor Augen hat.
Daher frage ich erstmal wichtige persönliche Daten und Lebensumstände. Und mache eine Anamnese mit Hilfe einer von mir erstellten Liste von Fragen, die für mich wichtig sind.
Geburtsdatum, Adresse, Berufsausbildung, familiäre und finanzielle Lebensumstände, medizinische Vorgeschichte, psychiatrische Vorgeschichte. Eine kurze Anamnese halt.
Ich frage kritische behandlungsrelevante Themen kurz ab, wie Sucht oder Suizidtendenzen.
Danach erarbeiten wir die Ziele, die jemand mit meiner Hilfe erreichen möchte.
Je mehr Du im psycho-pathologischen Bereich arbeitest, umso mehr Zeit und Hilfestellung wird jemand dafür brauchen.
Ein Coaching-Klient kommt eventuell schon mit klaren Zielen zu Dir und kann diese auf Deine Anfrage dann auch gut und präzise formulieren.
Und DANN erst frage ich nach den aktuellen Problemen! Wobei ich gerne auch die Stärken eines Klienten mit einbeziehe, indem ich immer wieder nachfrage „Und wie haben Sie es denn geschafft, das zu überstehen?“ „Was hilft Ihnen heute, damit fertig zu werden?“
Und wenn ich finde, dass ich genug weiß, um mit einer Methode anzufangen, dann schlage ich vor, das jetzt zu tun, erkläre kurz die Methode und FANGE DAMIT AN.
Das halte ich für eine sinnvollere Möglichkeit, die ersten 20 Minuten zu verbringen.
Ähm. Darf ich denn jemanden einfach unterbrechen, der seine Probleme erzählt?
Ärgert er sich nicht, oder fühlt sich ungeliebt, ungehört, nicht verstanden? Wie geht es ihm, wenn ich das mache?
Kommt sehr auf Euch an. Das „wie“ zählt.
Am einfachsten ist es, wenn ihr schon eine klare Struktur habt, mit der ihr das Gespräch von Anfang an führt.
Und ihr entscheidet dann im Verlauf, welchen Antworten ihr mehr und welchen ihr weniger Raum gebt, und wo ihr selbst noch einmal nachhaken möchtet.
Ja, und manchmal werdet ihr eine klare Grenze setzen müssen.
Und das dann bitte mit Mitgefühl und voller Wertschätzung und Respekt für die Geschichte Eures Klienten.
Statt mit innerlichem Augenrollen „Das führt jetzt wirklich nicht weiter, das noch mehr auszubreiten, können Sie sich bitte jetzt auf die sachliche Schilderung ihrer beruflichen Stationen beschränken“ zu sagen, wie wäre es stattdessen mit:
„Das stelle ich mir sehr unangenehm vor, wie Sie damals behandelt wurden, mein Mitgefühl, da haben Sie ja einiges mitgemacht. Wie ging das denn dann weiter mit Ihrer beruflichen Ausbildung?“
Und, je nachdem, was der Klient dann erzählt, zu fragen „Und wie haben Sie das geschafft?“ „Woher kam die Kraft, trotz allen Widrigkeiten weiter zu machen und nicht aufzugeben?“
Mein Vorschlag:Setz Dich doch einfach hin und schreib Dir auf, wie DU eine Behandlung beginnen möchtest und was DIR dabei wichtig ist, von Anfang an klar zu vermitteln.
Ich habe Dir dafür ein Arbeitsblatt erstellt mit Fragen, die mir dafür relevant erscheinen.
Als Denkanstoß, nicht als Regel 😉
Lade Dir das Arbeitsblatt PDF hier herunter und fang an.